Junge Menschen ohne Ausbildungsplatz darf es nicht geben!

Gemeinsame Erklärung von Kolpingwerk Deutschland, Kolping-Bildungsunternehmen e.V. und Verband der Kolpinghäuser e.V.

Vor dem Hintergrund der Lagebeschreibung des Ausbildungsmarktes und den Herausforderungen der beruflichen Bildung in Deutschland begrüßen das Kolpingwerk Deutschland, der Verband der Kolping-Bildungsunternehmen Deutschland e. V. und der Verband der Kolpinghäuser die im Berufsbildungsbericht 2019 beschriebene positive Entwicklungstendenz in der dualen Ausbildung durch eine steigende Anzahl von abgeschlossenen Ausbildungsverträgen und neu geschaffenen Ausbildungsstellen. Nachdrücklich stellen die beiden Verbände auf der anderen Seite jedoch mit großer Sorge fest, dass 2,1 Millionen jungen Erwachsene im Alter zwischen 20 und 34 Jahren in  Deutschland keinen Berufsabschluss erworben haben. Damit befindet sich der Anteil junger Menschen ohne Berufsabschluss weiterhin auf einem zu hohen und leider steigenden Niveau. Diese jungen Menschen tragen ein sehr hohes Risiko, dauerhaft nur prekär beschäftigt oder sogar arbeitslos zu werden. Sie sind damit stark von Armut und gesellschaftlicher Ausgrenzung bedroht. Neben der längst fälligen Gleichbehandlung von Studierenden und Auszubildenden bleiben die Bundesregierung und die Sozialpartner aufgefordert, zu handeln und die seit langem ausgesprochene Ausbildungsgarantie konsequent zu realisieren. Alle jungen Menschen haben ein Recht auf Ausbildung und auf eine zuverlässige Förderung auf dem Weg von der Schule in die Berufs- und Arbeitswelt. Dazu gehört die Begleitung junger Menschen am Übergang von der Schule in den Beruf sowie während der Ausbildung, etwa durch eine assistierte Ausbildung oder die Berufseinstiegsbegleitung. Wir bedauern, dass derzeit nur vier Bundesländer eine Weiterführung der Berufseinstiegsbegleitung anstreben. Damit droht ein zentrales Begleitinstrument für Schülerinnen und Schülern mit Unterstützungsbedarf im Übergang in die Berufsausbildung oder in Anschlussperspektiven zum Erwerb qualifizierter Schulabschlüsse in zwölf Bundesländer wegzufallen. Die Berufseinstiegsbegleitung ist das Instrument, dessen Finanzierung und Förderung nicht eingestellt werden darf, sondern konsequent verstetigt werden muss. Wir erwarten von der Bundesregierung und den Bundesländern, die Finanzierung des Regelinstruments nach § 49 SGB III konsequent fortzuführen und die Regelförderdauer bedarfsorientiert zu erhöhen. Gleichzeitig fordern wir die Vorhaltung von geeigneten Instrumenten der Berufsvorbereitung, Beratung und Orientierung für nicht oder noch nicht ausbildungsreife Jugendliche, die einen Einstieg in Arbeit bzw. in geförderte Arbeit zulassen. Schüler, Jugendliche und junge Erwachsene, denen bisher noch eine eindeutige berufliche Perspektive fehlt, sollen frühzeitig mit praxisorientierten Angeboten der Berufsorientierung in Berührung gebracht werden. Jungen Erwachsenen muss die Möglichkeit gegeben werden, in Kooperationen mit Unternehmen ihre eigenen Fähigkeiten auszuprobieren und kennenlernen zu können. Dort können sie Entscheidungshilfen für ihre Berufsausbildung gewinnen. Es zeigt sich auch, dass Ausbildungsberufe und -betriebe mit schlechter Ausbildungsqualität und Vergütung sowie schwierigen Arbeitsbedingungen Probleme haben, Auszubildende für sich zu gewinnen. Es gilt also die Rahmenbedingungen der Ausbildungen schnell zu verbessern. In diesem Zusammenhang begrüßen wir die Einführung einer Mindestausbildungsvergütung ab dem Jahr 2020 und regen nachdrücklich an, dass diese auch für Auszubildende schulischer und außerbetrieblicher Ausbildungen, wie zum Beispiel in sozialen und pflegerischen Berufen, zeitgleich eingeführt wird. Wir halten diese Aufnahme gerade im Sinne der Gleichberechtigung und Gleichbehandlung für zwingend notwendig. Damit muss das seit Jahrzehnten bedauerlicherweise bestehende Ungleichgewicht von dualer und schulischer Ausbildung beseitigt werden. Dies trägt gleichzeitig zu einer Attraktivitätssteigerung der meist schulischen Ausbildungen von Gesundheits- und Pflegeberufen bei, eine Berechtigung zum Erhalt der Berufsausbildungsbeihilfe würde ebenfalls die Bedingungen der sogenannten Mangelberufe verbessern. Digitalisierung verändert die Ausbildungen und erfordert andere und höhere Qualifikationen und stärkeres lebenslanges Lernen. Dieses wird tendenziell die Arbeitsmarktchancen für junge Menschen ohne Berufsabschluss zusätzlich verschlechtern. Da junge Menschen – auch mit weniger hohen Schulabschlüssen – in der Regel aber auch eine Affinität für digitale Medien mitbringen, kann hier durchaus an einer positiven Lernmotivation angesetzt werden. Die Digitalisierung stellt damit sowohl eine Herausforderung dar, bietet aber auch Chancen, die gezielt für die jungen Menschen genutzt werden müssen. Der Berufsbildungsbericht führt den Anstieg bei den abgeschlossenen Ausbildungsverträgen sowie ein gesteigertes Ausbildungsinteresse auch auf die höhere Ausbildungsbeteiligung von Menschen mit Fluchthintergrund zurück. Obwohl die Zahl der unbesetzten Lehrstellen 2018 einen neuen Rekordwert von fast 58.000 erreicht hat, haben Migranten allerdings generell schlechtere Chancen auf einen Ausbildungsplatz. Eine große Herausforderung bleibt weiterhin das sogenannte Passungsproblem zwischen den Anforderungen und Erwartungen der Betriebe und den Ausbildungsinteressen der Bewerberinnen und Bewerber. Dies entsteht auch dadurch, dass nur begrenzte regionale Mobilität gegeben ist: ein passendes Ausbildungsangebot bzw. die passende Berufsschule, sind an einem anderen Ort als dem aktuellen Wohnort. Hier kann die Stärkung des Jugendwohnens als Unterstützungsinstrument der Berufsausbildung zu einer deutlichen Reduzierung des Passungsproblems beitragen und so für viele junge Menschen, die Probleme bei der Ausbildungsplatzsuche hatten, die Chance für einen leichteren und einen Neubeginn in einem anderen Umfeld beitragen. Jugendwohnheime bieten den Auszubildenden mehr als nur ein Dach über dem Kopf und ein Bett – neben einem professionellen sozialpädagogischen Angebot für Auszubildende bieten Jugendwohnheime Anschluss an andere Jugendliche aus allen gesellschaftlichen Schichten. Eine Stärkung des Jugendwohnens bedeutet im Zusammenhang mit der Beruflichen Bildung, eine über die aktuelle Förderung bauinvestiver Maßnahmen hinausgehende Förderung  baulicher Maßnahmen zur Beseitigung des Sanierungsstaus sowie eine bessere Gestaltung der Schnittstellen zwischen den Sozialgesetzbüchern für die Situation der Auszubildenden. Auch ein flächendeckendes Auszubildendenticket (analog zum Semesterticket für Studierende) kann zur gewünschten Mobilität von Auszubildenden und auch hier zu einer Gleichwertigkeit der akademischen und beruflichen Ausbildung beitragen. International findet das duale Ausbildungssystem in Deutschland hohe Anerkennung. In den Betrieben und Berufsschulen werden junge Menschen als Fachkräfte erfolgreich ausgebildet und erhalten damit eine praxisorientierte berufliche Qualifikation für ihr Erwerbsleben. Diese Ausbildungskultur muss gestärkt werden, indem auch für junge Menschen mit schwierigeren Ausgangsbedingungen die Möglichkeit auf eine Ausbildung verbessert und sie auf dem Weg zu ihrem Abschluss unterstützt werden. Nur auf dieser Grundlage ermöglicht man diesen jungen Menschen eine Zukunftsperspektive und schafft gleichzeitig einen Beitrag zum Fachkräftebedarf der Betriebe.

Kolpingwerk Deutschland

Kolping-Bildungsunternehmen e.V.

Verband der Kolpinghäuser e.V.

Berlin, 18.05.2019

23.05.2019