AKF-Fortbildung für Kess-KursleiterInnen

Kinder- und Familienwelten in Zeiten von Corona – Kess durch die Krise

Mütter und Väter unter Hochspannung bei geschlossenen Schulen, die Kinder und Jugendlichen „chillen“ oder streiten? Wie erleben Familien den Lockdown, wie kann Familienbildung zur Bewältigung dieser schwierigen Lage beitragen?

 

Um diese Fragen gezielt anzugehen, lud Christof Horst, Projektleiter „Kess-erziehen“ der Arbeitsgemeinschaft für Katholische Familienbildung (AKF) in Bonn online Kess-erziehen-Kursleitende und -Verantwortliche zusammen mit Familienbildner:innen aus ganz Deutschland ein. Dr. Ursula Winklhofer vom Deutschen Jugendinstitut, Mitautorin der Studie „Kinder- und Familienwelten in Zeiten von Corona“ aus dem ersten Lockdown 2020[i], stellte 75 Teilnehmenden die Ergebnisse dieser Befragung vor. Ihr Fazit: Die befragten Kinder und Jugendliche erlebten den ersten Lockdown als eine Zeit emotionaler Ambivalenzen: Die Trennung von Freund:innen, fehlender Alltag und mangelnde Freizeitaktivitäten werden negativ, mehr zeitliche Freiräume aber auch positiv erlebt. Digitale Medien werden als zentrale Kontaktbrücke zu Freund:innen genutzt, dies aber erst ab ca. 11 Jahren. Der Distanzunterricht stellt hohe Anforderungen an Kinder wie Eltern. Weniger im Zentrum steht dabei die Erklärung des Unterrichtsstoffes durch die Eltern, sondern mehr die organisatorische Unterstützung. Familie ist eine zentrale Ressource, die bei ungünstigen Rahmenbedingungen (finanziell angespannt Situation, räumliche Enge, fehlende Unterstützung beim Lernen) besonders kritisch ist. Kinder und Jugendliche fühlen sich in dieser Krisensituation weiterhin zu wenig gehört.

Die Workshop-Teilnehmenden trugen anschließend in Kleingruppen eine lange Liste an Zielen und Akzenten der Familienbildung zusammen. Von A wie „Austausch der Eltern“, B wie „Beteiligung der Kinder/Jugendlichen“ bis zu S wie „Selbstfürsorge der Eltern“ und R wie „Resilienz stärken“ sammelten sie Möglichkeiten und Themen, um die Familien in dieser eingeschränkten Zeit zu unterstützen.

Eine Woche später diskutierten und konkretisierten 15 Kess-erziehen-Kursleiter:innen und weitere Familienbildnerinnen mit Christof Horst und Ursula Winklhofer ihre Ideen, der sozialen Differenzierung im Lockdown entgegen zu arbeiten. Dazu wurden eine Reihe digitaler Angebote des letzten Jahres in den einzelnen Diözesen vorgestellt und zugehörige Links ausgetauscht. Gleichzeitig wurden Möglichkeiten erarbeitet, die digitale Übersättigung in manchen Teilbereichen durch analoge Kombinationen aufzufangen. Der Familienbund Würzburg hatte beispielsweise eine „Wundertüte“ an die Familien als Ergänzung zu einem Onlineangebot verschickt. Daraus entstand die Idee, die Online-Kurse „Kess@Home“ durch eine analoge „Kesse Kiste“ zu ergänzen.

Das von Ursula Winklhofer genannte Gefühl mangelnder Mitsprache der Jugendlichen kann durch einen Schwerpunkt auf das Thema Familienrat aufgefangen werden. Dieses gemeinsame Gespräch aller Familienmitglieder hat zum Inhalt, dass die Wünsche und Anregungen aller Beteiligten gehört und abgestimmt werden. Im Bistum Limburg lief bereits ein Workshop zu diesem Thema.

Corona kann als Brennglas gesehen werden, das Ressourcen wie Probleme in den Familien verstärkt. Wie können die positiven Seiten im Miteinander besser in den Blick genommen werden? Durch einen Perspektivwechsel vom Fokus auf Probleme zur Sicht dieses Konfliktfelder als gemeinsame Lernchancen: Familienarbeit als Team neu aufteilen statt die Eltern überzubelasten, die Kinder befähigen zu streiten als dauernd Streit schlichten zu müssen, Verantwortung überlassen und Selbstmanagement zu stärken. Ein konkreter Workshop „Kess durch die Krise“ bzw. “Kesser Perspektivwechsel“ ist in Planung. Insgesamt ist es hilfreich für die Eltern, in den Kess@Home-Kursen diesen Persektivwechsel immer wieder zu betonen und zu üben. Der nächsten Kurse „Von Anfang an“ und „Abenteuer Pubertät“ starten nach Ostern.

 

[i] Langmeyer, Alexandra, Guglhör-Rudan, Angelika, Naab, Thorsten, Urlen, Marc, Winklhofer, Ursula (2020): Kind sein in Zeiten von Corona. Ergebnisbericht zur Situation von Kindern während des Lockdowns im Frühjahr 2020. München: DJI

 

Dr. Birgit Rank, 01.03.2021
02.03.2021